Oliver Hassler. Du bist der aktuell erfolgreichste Sportler den die RG Hausen-Zell in ihrer gesamten Vereinshistorie je hatte. Du hast dein ganzes bisheriges Leben dem Leistungssport gewidmet, warst in zahllosen Ländern der Welt für Trainingslager und Wettkämpfe unterwegs. Jetzt bist du Landessportdirektor im Bereich Ringen in Baden-Württemberg. Wie war für dich dieser Wechsel aus der Position eines Sportlers hin zum Funktionär?
Glücklicherweise gestaltete sich mein Wechsel nicht abrupt. Mein Studium als Sportökonom bereitete mich Beruf fachlich auf meine neuen Aufgaben vor. Die sportfachliche Kompetenz habe ich mir aufgrund meiner Leistungssportkarriere über Jahre angeeignet. Die letzten Jahre übernahm ich während meiner sportlichen Laufbahn auch schon vermehrt Tätigkeit beim DRB. Beispielsweise integrierte mich mein damaliger Bundestrainer Michael Carl, intensiv in die Trainingsplanung und die Lehrgangsorganisation ein und übergab mir verantwortliche Tätigkeiten.
Tatsächlich ist da aber dann doch die neue Rolle des Bundesstützpunktleiters/ Leistungssportdirektors Baden-Württemberg in die ich mich rein arbeiten musste. Zugegeben sehe ich mich nicht als Funktionär, eher als Manager.
Worin besteht der Unterschied zwischen Funktionär und Manager?
Formell gibt es wahrscheinlich gar keine handfesten Unterschiede. Dies ist meine persönliche Sichtweise. Die Funktionärstätigkeit erklärt sich aus meinem Verständnis heraus als Begleiter eines Amtes. Zumeist Ehrenamtliche welche mit sehr viel Herzblut und Engagement, in Ihrer Freizeit für eine Sache einstehen. Im Hauptamt ist es oft besser möglich Dinge schneller, effektiver und zielgerichteter voranzutreiben und umzusetzen, schlicht Organisationsprozesse zu managen. Dies entspricht eher meiner Vorstellung meiner aktuellen Rolle.
Würdest du sagen, dass sich auch im Bereich deiner Persönlichkeitsentwicklung mit der neuen Aufgabe bei dir Dinge verändert haben?
Einmal Schwarzwälder, immer Schwarzwälder!
Ich bin großer Fan davon die eigene Persönlichkeit aktiv zu gestalten und investiere selbst sehr viel um mich fortlaufend diesbezüglich zu bilden. Selbstverständlich haben neue Eindrücke auch Einfluss auf die eigene Persönlichkeit, entscheidend ist jedoch - und dies habe ich mit der Eingangsfloskel gemeint – dass ich auch heute noch immer ich selbst bin, lediglich mit mehr Eindrücken, Erfahrungen und der Kompetenz auch andere Sichtweisen betrachten zu müssen aber auch zu können.
Was waren deine primären Ziele als du die neue Stelle angefangen hast und was konntest du davon schon umsetzen?
Unser Ziel in Baden-Württemberg ist es den Leistungssport voranzubringen. Hieran arbeiten wir im Schulterschluss mit den Landesfachverbänden Nordbaden, Südbaden und Württemberg, dem Landessportverband Baden-Württemberg und dem Deutschen Ringerbund intensiv. Einer unserer ersten großen Schritte war es neben Freiburg einen weiteren Bundesstützpunkt in Baden-Württemberg zu etablieren. Dies ist uns jüngst zu Jahresbeginn 2021 am Standort Heidelberg gelungen. Zwei Bundesstützpunkte aus einer Sportart in einem Bundesland stellt eine einzigartige Situation in Deutschland dar und spiegelt die hervorragende Arbeit die hier geleistet wird, wider.
Die Pandemie hat deinen Fahrplan sicherlich extrem durcheinandergewirbelt. Was hat sich deiner Meinung nach aber vielleicht trotzdem an Positivem aus dieser Situation heraus entwickelt? Gibt es da neue Erkenntnisse oder Chancen?
Eine große Chance der Pandemie ist die Digitalisierung. Diese ermöglicht natürlich auch denjenigen, die den Leistungssport organisieren, ökonomischeres und ökologischeres arbeiten. Allerdings sind unsere Kernprodukte nach wie vor die Wettkampfergebnisse und Erfolge der Athleten rund um den Spitzensport. Das Training, die Wettkampfgestaltung und die Entwicklung unserer Athleten lassen sich nur mittels Begleitprodukten teilweise digitalisieren. Der Erfolg beruht immer noch auf harter Arbeit, Schweiß, Tränen und Emotionen – dies alles lässt sich erfreulicherweise nicht digitalisieren.
Was wünschst du dir von den vielen Ringervereinen in deinem Verantwortungsbereich? Was machen sie gut? Was könnten sie deiner Meinung noch verbessern?
Die Ringervereine sind Mitglieder bei Ihren Landesfachverbänden und wichtiger Bestandteil unserer Philosophie. Ich glaube, wir im Südwesten sind gesegnet von sehr vielen gut organisierten Vereinen. Es steht mir nicht zu die Vereinsarbeit aller Vereine zu bewerten. Dazu habe ich auch zu wenig Einblick in die Vereine, da meine Aufgabe die Zusammenarbeit mit den Landesfachverbänden bildet.
Was denkst du könnten sinnvolle und nachhaltige Entwicklungsschritte auf verbandsebene sein, um den Ringkampfsport in Deutschland zu stärken?
Eine klare Trennung von Leistungssport und Ligasystem sowie eine nachhaltigere Nachwuchsentwicklung mit entsprechend altersgerechter Förderung und Forderung.
Du hast eine sehr interessante Podcast Reihe zum Thema Ringen gestartet. Wie kam es dazu?
Auch wenn ich hauptamtlich im Ringen tätig bin, möchte ich mir trotzdem den Blick des Fans bzw. des Ringsportbegeisterten bewahren. Mit Emotionen und ohne Rationalität. Zudem war es mein Antrieb darzustellen, dass Ringen immer noch inmitten unserer Gesellschaft einen großen Stellenwert und einen ebenso entscheidenden Einflussfaktor besitzt. Das bietet der Podcast Ringerohr!
Und zum Schluss noch die Frage, wie gelingt dir der Übergang aus dem Sport ins "normale" Leben? Rein persönlich und im Bereich Gesundheit? Machst du auch jetzt noch Sport und wie geht es deinem Körper nach all den Jahren Höchstleistung?
Naja gesundheitlich zeigt sich der Ausstieg immer auf der Waage. Die hat ganz schön Fahrt aufgenommen, nach oben!
Aber ich habe es sehr genossen einfach nichts tun zu müssen. Abende auf der Couch zu verbringen, ein Wochenende ohne Training oder keinen regelmäßigen Verzicht auf irgendetwas haben zu müssen. Ich bin nach einem Jahr Faullenzen aber regelmäßig wieder dabei sportlich etwas zu tun. Zumindest für die Gesundheit und ab und zu auch auf der Matte, wenn es die Rahmenbedingungen zulassen!